Die dreizehn Monate von Erich Kästner

Wir nehmen Erich Kästner beim Wort. Schließlich hat ein Großstädter diesen feinen, schmalen Gedichtband für Großstädter geschrieben. Und so lesen mein Mann Thomas und ich, seit vielen Jahren begeisterte FrankfurterInnen, uns – immer am ersten Tag eines neuen Monats – ein Gedicht des Dresdeners vor. Illustriert hat diesen Gedichtband der von uns beiden sehr geschätzte Hans Traxler. Hier kommt ‚Der September‘:

„Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Stern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.

Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend zehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.

Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessenen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.

Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sind sie wohl nicht fromm genug.

Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells dreht sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.“